Kreistagsrede von Wolfgang Schreiner

Sehr geehrter Herr Landrat, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Gäste,

ich freue mich, zum ersten mal von diesem Pult aus zu Ihnen sprechen zu dürfen … und weil es das erste mal ist, erlauben Sie mir bitte, ein wenig auszuholen.

Fast ein halbes Jahrhundert lang war ich beschäftigt in der Industrie, eine Lehre zum Schriftsetzer und ein Studium der Druck- und Medientechnologie inbegriffen. Die letzte große Station vor meiner Verrentung war die allseits bekannte Firma Festo Didactic. Hier habe ich genau die Produkte medial beworben, die in unseren Berufsschulen die 4.0-Themen unterstützen: Handwerk 4.0 und Industrie 4.0. Endlich sehe ich diese Hightech-Produkte in der Friedrich-Ebert-Schule in Esslingen und in der Max-Eyth-Schule in Kirchheim mal im realen Einsatz, nicht nur im Fotostudio oder auf den Bildungsmessen. Dass ich als Nachrücker für unseren Genossen Jochen Findeisen ebenfalls im Kultur- und Schulausschuss sitze, erklärt sich hiermit fast von selbst.

Zurückkommen auf meine Erfahrungen in der Industrie möchte ich aber kurz noch einmal mit einem Lob … und zwar für die wirklich gute Arbeit der Landkreisverwaltung. Ich habe früher unzählige Meetings, Projekte, Kalkulationen, PowerPoints etc. erlebt, gestaltet und begleitet. Was ich in meiner kurzen Mandatszeit in diesem Hause bereits mitbekommen habe, macht im Vergleich mit „draußen“ großen Eindruck auf mich. Niemand braucht sich hier zu verstecken. Viele Prozesse im Landratsamt scheinen gut abgestimmt zu sein, das Arbeitsklima stimmt, große Planungs-vorhaben laufen unter Beteiligung vieler unterschiedlicher, auch externer, Player auf Augenhöhe, mit weitem Blickwinkel … und zeitigen hierdurch qualitativ hochwertige Ergebnisse bzw. Grundlagen für die Weiterarbeit; beispielsweise der kürzlich vorgestellte umfassende Integrations-plan. Auch die Steuerung des Projekts „Neues Landratsamt“ scheint mir auf ähnlich gutem Wege.

Was ich mir aber wünschen würde, wäre ein etwas weniger stereotypes Verhältnis mit den Kolleginnen und Kollegen im Plenum und in den Ausschüssen. Informell ist alles kein Problem, formell-politisch tritt aus meiner Sicht aber des öfteren eine Art „Abwinken“ unserer Forderungen und Beiträge an den Tag. Ich möchte an dieser Stelle betonen, dass wir LINKEN keine Umstürzler sind und wir Ihnen auch nicht Ihre Ferienvillen im Tessin wegnehmen wollen. Unsere Anliegen sind, gerade auch in der Kreispolitik, die bekanntermaßen sehr stark auf das Sozial- und Bildungswesen ausgerichtet ist, das Einstehen für die Menschen, die eben gerade nicht gesegnet sind mit den Gaben der gehobenen Mittelschicht, wie Akademikereltern, Studium, Erbschaften, gehobenen Positionen in Wirtschaft, Politik und öffentlichem Dienst.

Nein, wir treten ein für die vielen kleinen Getrieberädchen, ohne die unser Gemeinwesen nicht funktionieren würde. Sie sind häufig unsichtbar, wenig wertgeschätzt, unterbezahlt u.ä.

Apropos wenig wertgeschätzt und unterbezahlt: Mit verhaltener Freude haben wir den Tarifabschluss im öffentlichen Dienst zur Kenntnis genommen. Ohne die Kampfbereitschaft vieler ver.di-Mitglieder wären die Entgeltsteigerungen noch niedriger ausgefallen. Aber wo ist eigentlich das Problem? Alle Welt, auch wir hier gelegentlich in Kreistag und Verwaltung, redet von der dringend notwendigen Aufwertung des öffentlichen Dienstes, von Personalengpässen vor allem in den Sozial-, aber auch technischen und IT-Berufen … und vom überfälligen Eintritt in eine Schließbewegung der sozioökonomischen Schere. Ja aber warum denn, wenn nicht jetzt, in bester Konjunkturlage, endlich einen spürbaren Schritt in diese Richtung gehen? Er wäre möglich, denn volkswirtschaftlich haben wir doch kein Ausgaben-, sondern ein Einnahmen-Problem … und das wäre lösbar … bei aktuell fast 6 Billionen Euro Geldvermögen in Deutschland.

Nun schlussendlich aber zum eigentlichen Thema dieses Tagesordnungspunktes. Auch hier wieder konstatieren wir eine umfassende und gute Vorarbeit der Verwaltung, namentlich des Sachgebiets Kreisschulen. Die vorgelegte Umfrage und ihre Ergebnisse stellen eine sehr nützliche Entscheidungshilfe und Handlungsanleitung dar. Wir sehen keine Gründe, die Beschlussanträge

1. Die Nachmittags- und Ferienbetreuung an den Sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentren des Landkreises wird fortgeführt

… und …

2. Für die Nachmittagsbetreuung an der Bodelschwinghschule wird bei einer Teilnahme freitags der Elternbeitrag pauschal um 20 EUR/Monat ermäßigt

abzulehnen.

Im Gegenteil: wir stimmen ausdrücklich zu!

Zwei kleine Anmerkungen möchten wir an dieser Stelle aber noch mit auf den Weg geben:

1. Bei den bestätigten Kommunikationsdefiziten mit den Beförderungsunternehmen könnten die avisierten klareren Abläufe evtl. durch moderne digitale Prozesse unterstützt und somit Personal entlastet werden. Wir schlagen vor, dieses zum Thema von Bachelor- oder Masterarbeiten für Studierende aus den einschlägigen Fakultäten zu machen. Diese, neudeutsch „Digital Natives“ genannt, könnten innovative Lösungsansätze liefern, die wir uns momentan vielleicht noch gar nicht vorstellen können.

2. Die kalkulierten Mehraufwendungen vorzunehmen, halten wir für selbstverständlich und nicht verhandelbar. Jede, auch noch so kleine Entlastung der betroffenen Familien sollten wir umsetzen! Darüberhinaus betonen wir aber auch die Notwendigkeit, parallel zur Angebotsverstetigung und Beitragsentlastung beim Thema Förderung, speziell der Nachmittagsbetreuung, weiterhin der Landesregierung auf den Füßen stehen zu bleiben. Letztendlich steht das Land bei sämtlichen Aspekten der Sonderpädagogik in der Pflicht.

Herzlichen Dank an alle Beteiligten … und für Ihr geduldiges Zuhören.