Martin Auerbach bereut Straßenblockade nicht

Ein Aktivist für alle Fälle: Der Esslinger Stadtrat engagiert sich vielfältig in Gewerkschaften, Kommunalpolitik und Kultur. Jüngst ist er wegen seiner Teilnahme an einer Protestaktion von Klimaschützern verurteilt worden. Zum Wiederholungstäter will er nicht werden.

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Melanie Braun

Esslingen. Martin Auerbach ist niemand, der die Hände in den Schoß legt. Wenn es etwas in seinem Sinne zu tun gibt, ist der umtriebige Esslinger dabei. Der 46-Jährige hat zig Ehrenämter inne, mischt bei unzähligen Veranstaltungen mit und engagiert sich zudem für die Partei Die Linke in der Kommunalpolitik. Sein jüngstes Engagement als Klimaaktivist wird er aber wohl so schnell nicht wiederholen. Auerbach hatte sich Anfang September des vergangenen Jahres an einer Straßenblockade der Klimaaktivisten der Letzten Generation am Stuttgarter Leuze­knoten beteiligt – mit unangenehmen Folgen.

Denn das hat dem Esslinger Stadtrat eine Verhandlung vor dem Amtsgericht Cannstatt eingebracht. Auerbach hatte sich zwar nicht auf der Fahrbahn festgeklebt, wie es drei seiner vier Mitstreiter getan hatten. Dennoch wurde er vor Kurzem wie sie wegen Nötigung verurteilt und muss nun eine Geldstrafe zahlen. „Das war ein relativ teurer Spaß: 3200 Euro für eine Stunde“, witzelt Auerbach. In der ihm eigenen Gemütsruhe nimmt er die Sache gelassen. Gleichwohl betont er: „Ich sehe mich in nächster Zeit nicht auf der Straße kleben.“

Ganz ohne ist die Strafe tatsächlich nicht. Mit seinen 40 Tagessätzen gilt Auerbach zwar nicht als vorbestraft. Einen Eintrag ins erweiterte Führungszeugnis gibt es dafür aber schon – und dieses müsste der Jugend- und Heimerzieher im Zweifelsfall vorlegen, wenn er den Job innerhalb der Branche wechseln würde. Das sei aber erst einmal nicht geplant, so Auerbach: „Ich arbeite seit 1999 in der gleichen Einrichtung und bin dort durchaus anerkannt.“

Im Übrigen bereue er seine Teilnahme an der Straßenblockade nicht, betont er. Zwiegespalten ist er dennoch: „Natürlich finde ich es nicht gut, jemanden bei etwas Wichtigem zu blockieren“, sagt er. Ihm sei bewusst, dass manche Menschen durch die Straßenblockade im September zu spät zu wichtigen Terminen gekommen sein könnten. „Aber andererseits müssen Menschen ihre Heimat verlassen, weil es dort seit vier Jahren nicht mehr geregnet hat“, gibt der 46-Jährige zu bedenken. Der Klimaschutz sei also ein sehr wichtiges Thema. „Und mit jeder Aktion wird die Diskussion am Laufen gehalten.“

Bei der Straßenblockade selbst hat Auerbach sich nach eigenen Angaben moderat verhalten. Er habe ein Schild hochgehalten, das die Autofahrer aufforderte, eine Rettungsgasse zu bilden und sei den Anweisungen der Polizei gefolgt. „Ich wollte es den Beamten nicht antun, mich wegtragen zu müssen“, sagt er – sie könnten schließlich auch nichts für die Verfehlungen der Bundespolitik. Dabei ist Auerbach sonst durchaus für eine gewisse Polemik zu haben. Im Gemeinderat findet er mitunter markige Worte und auch vor umstrittenen Aktionen scheut er nicht zurück. Als er vor knapp zwei Jahren mit eher dürftigen Erfolgschancen bei der Esslinger Oberbürgermeisterwahl kandidierte, machte er sich nicht nur Freunde damit. Vor allem SPD-Anhänger hatten kritisiert, er stehle den Sozialdemokraten wichtige Stimmen. Auerbach aber findet seinen Coup von damals immer noch gut: Damit habe er viele linke Themen platzieren und Diskussionen anstoßen können.

Auch dass er als Stadt- und Kreisrat mit seiner jüngsten Aktion und seiner Verurteilung bei den Kollegen in den politischen Gremien anecken könnte, bringt Auerbach nicht aus der Ruhe. Zumal er sich als eine Art Vorreiter sieht: „Was machen die Grünen damit, dass die Linke erkannt hat, wohin die Reise geht, und auf einmal rabiat Klimaschutzmaßnahmen einfordert?“, fragt er. Er jedenfalls habe fast nur positive Rückmeldungen zu seiner Teilnahme an der Straßenblockade bekommen – inzwischen würden sogar Spenden gesammelt, um ihn bei der Zahlung der Geldstrafe zu unterstützen.

Wenig Verständnis hingegen zeigt Auerbach für die Debatte über eine angebliche Fernreise zweier seiner Mitstreiter bei der Klimaaktion. „Die Diskussion darüber, wer wem Doppelmoral vorwerfen darf, halte ich für müßig.“ Wer den beiden eine Fernreise vorwerfe, solle auch die eigenen Verhaltensweisen im Blick haben. „Auch Klimaaktivisten müssen keine Säulenheiligen sein“, findet Auerbach. Der 46-Jährige wird sich nun erst einmal anderen Aktivitäten zuwenden. Davon gibt es wahrlich genug in seinem Leben – und bald vielleicht noch eine mehr. Denn der Stadt- und Kreisrat, Gewerkschafter, Nabu-Helfer und ehrenamtliche Arbeitsrichter will eventuell noch für die anstehenden Sozialwahlen kandidieren.

Beruf und Berufungen

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Martin Auerbach ist 46 Jahre alt und gelernter Jugend- und Heimerzieher. Seit 1999 ist er in einer diakonischen Jugendhilfeeinrichtung tätig und dort seit 2004 auch Mitarbeitervertreter (ähnlich einem Betriebsrat). Seit 2012 ist er im Vorstand der Arbeitsgemeinschaft der Mitarbeitervertretungen in Württemberg. Ehrenamt  Neben seinem Job ist Auerbach nicht nur als Stadtrat und Kreisrat für die Linke aktiv, sondern engagiert sich auch im Ortsvorstand von Verdi, ist Kreisvorsitzender des Deutschen Gewerkschaftsbundes und Vertreter der Landesarbeitsgemeinschaft Betrieb und Gewerkschaft für die Partei die Linke. Außerdem ist er als ehrenamtlicher Arbeitsrichter am Arbeitsgericht Stuttgart tätig, ist im Nabu und im Vorstand des interkulturellen Forums aktiv sowie beim Kino auf der Burg. Bald will er eventuell noch bei den Sozialwahlen kandidieren. Wie er alles unter einen Hut bekommt? Gutes Zeitmanagement und wenig Schlaf, sagt Auerbach.