Haushaltsrede Kreistag

für unser diesjährigen Haushaltsrede haben wir zwei Motti ausgewählt:
„Den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu wahren, ist das Mega-Thema der nächsten Jahre.“
UND:
„Der Haushalt enthält eine Reihe von Maßnahmen für eine Politik der Nachhaltigkeit“
Beide Zitate stammen aus der Haushaltsrede von Landrat Eininger. Wir freuen uns darüber, dass diese beiden Themen so betont werden, denn diese Motti entsprechen der Politik, die wir in den letzten Jahren stetig verfolgten!


Im Rückblick kann unsere Fraktion Stolz auf die VVS-Tarifreform sein, die ein erster und richtiger Schritt ist, entspricht sie doch den Forderungen, wie wir sie immer und immer wieder gestellt haben, seit wir hier im Kreistag vertreten sind. Unser Dank gilt darüber hinaus allen, die diese Reform mit getragen und unterstützt haben. Fahren wir in diesem Sinne weiter fort! Diese Tarifreform zeigt, dass auch kleine Fraktionen politisch erfolgreich sein können, wenn sie Themen fortwährend auf unterschiedlichen politischen Ebenen behandeln und dies argumentativ gut untermauern. Die Tarifreform zeigt aber auch, dass Tarife und Tarifstrukturen, selbst wenn sie wie aus Granit gebaut erscheinen, veränderbar und reformierbar sind.
Dies gilt auch für den deutlich besseren Ausbau des Busnetzes im Landkreis! Die deutlich
zunehmenden Fahrgastzahlen zeigen, dass eine Angebotsorientierung der richtige Weg für einen zukunftsorientierten ÖPNV ist.
In diesem Sinne und um einige von Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen, nicht unnötig auf die Folterbank zu spannen, fordern wir auch in diesem Jahr ein Sozialticket. Dies nicht nur aus sozialen Gründen, sondern auch und besonders um „den gesellschaftlichen Zusammenhalt“ zu fördern. Denn Mobilität ist in einer modernen Gesellschaft Voraussetzung für die diskriminierungsfreie Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben. Dabei hört die Teilhabe nicht an Kreis- oder Gemeindegrenzen auf. Trotz der gelungenen Tarifreform bleibt der VVS ein hochpreisiges Verkehrssystem. So wird bereits für das „Jedermann“-Monatstickets für eine  Zone ein Mehrfaches des im Hartz-IV-Regelsatzs vorgesehenen Betrages fällig.

Auch in anderen politischen und gesellschaftlichen Bereichen soll die Teilhabe vertieft werden:
Nachdem die Konzeption Schulbegleitung im Sozialausschuss beschlossen wurde, liegen
sicherlich Erfahrungen bei der Umsetzung mit den Betroffenen, ihren Familien, den Schulen und dem Trägerverbund vor. Dazu beantragen wir einen Bericht!
Gewalt gegen Frauen nimmt leider auch im Landkreis Esslingen stetig zu. Am häufigsten findet sie im privaten, häuslichen Bereich statt und bezieht oft auch in der Familie lebende Kinder mit ein.

Wichtige und etablierte erste Anlaufstellen für Hilfeleistungen bieten die drei Beratungsstellen der Vereine „Frauen helfen Frauen“ in Esslingen, Filderstadt und Kirchheim. Die Vereine arbeiten mit kompetentem Personal auf ehrenamtlicher und auch Mini-Job-Basis. Sie werden seit Jahren mit geringen Zuschüssen aus dem Kreishaushalt unterstützt. Der in den letzten Jahren stetig gestiegene Bedarf wurde im vorliegenden Haushaltsentwurf nicht berücksichtigt. Dazu stellen wir einen Antrag!

Schon in den letzten Jahren haben wir immer wieder vorgeschlagen, dass der Kreis aktiv werden möge, um das Wahnsinns-Milliarden-Projekt S 21 Stuttgart – Ulm zu beenden. Es gibt neben den mehrmals aufgezählten Gründen in diesem Jahr einen weiteren Grund, endlich der Vernunft zum Durchbruch zu verhelfen. Durch das Lenninger Tal fahren hunderte von LKWs, die Abraum aus dem Projekt nach Grabenstetten und umgekehrt Kalkstein zur Baustelle bringen. Dies alles nicht nur werktags sondern auch noch an Sonn- und Feiertagen. Die Anwohner leiden unter zusätzlichem Dreck, Staub, Lärm und Gefahren für ihre Gesundheit. Ein Baustopp würde all diese negativen Wirkungen beenden und geschätzte sechs Milliarden Euro einsparen. Zudem könnten die fertiggestellten Bauwerke für den S-Bahn-Ringschluss zwischen Fildern und Neckartal genutzt werden. Zusammen mit den Kirchen sollte der Landkreis mindestens
dafür Sorge tragen, dass die gesetzliche Sonn- und Feiertagsruhe wieder hergestellt wird.

Ein positiver Beitrag, um den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu stärken, ist der gelungene Integrationsplan, dem wir in seiner Umsetzung viel Erfolg wünschen! Gespannt erwarten wir noch in diesem Jahr den Psychiatrieplan, der den bisherigen Plan nicht nur fortschreiben möchte sondern Akzeptanz für die Planinhalte und ihre Umsetzung schaffen will.
Landrat Eininger hat in seiner Haushaltsrede ausgeführt: „Wir stehen ökonomisch glänzend da!“ Tatsächlich haben wir positive wirtschaftliche Rahmenbedingungen und eine niedrige Arbeitslosenzahl. Einige meiner Vorredner haben dies ebenfalls betont. Diese richtige Aussage, darfuns aber nicht dazu verleiten, die Augen vor sozialer Ungerechtigkeit und Verwerfung zuverschließen.
Und für uns gilt: Die Sozialausgaben sind wiederum um 4,7 % gestiegen, die Ausgaben für Soziale Sicherheitbetragen 99% des Aufkommens durch die Kreisumlage. Im Landkreis hat sich z.B. die Zahl der Personen, die „Hilfe zum Lebensunterhalt“ erhalten, seit 2005 um 255 % erhöht1. Dies Unterstützung ehrt uns als Landkreis, gleichzeitig aber ist diese notwendige Hilfe eine Katastropheund ein Zeichen dafür, dass hier ein „sozialer Sprengsatz“ liegt, wie es die Generalsekretärin derCDU Kramp-Karrenbauer jüngst formulierte.
Ursachen für diese volkswirtschaftliche Katastrophe auch in unserem wohlhabenden Landkreis gibt es einige:
So ist in diesem Jahr, um nur eine Beispiel zu nennen, die SB-Warenhauskette Real, eine Tochter des Metro-Konzerns, aus der Tarifbindung des Einzelhandels ausgestiegen. Die Folge: „Armutstarife“, die letztlich unseren Sozialhaushalt belasten werden und die unseren gesellschaftlichen Zusammenhalt gefährden.

Auch die oft unerschwinglichen Mieten und Wohnkosten tragen zum Armutsrisiko bei. Nach dem informativen und guten Fachtag Wohnen des Landkreises im Juni 2016 ist es zu diesem Thema still geworden. Die Obdachlosigkeit nimmt zu und Mietwohnungen zu erschwinglichen Mieten werden weniger. Dies wird durch die „Wanderungsgewinne“ im Landkreis verstärkt.2 Offensichtlich ist jedoch, der „Markt“ ist nicht in der Lage, dieses Problem zu lösen. Dazu stellen wir einen Antrag.

Das zweite Motto „… für eine Politik der Nachhaltigkeit…“ ist uns als linke Fraktion ebenso
wichtig, wie die Betonung des gesellschaftlichen Zusammenhaltes. Und wir sind froh darüber, dass dies Landrat Eininger in seiner Haushaltsrede betonte. Allerdings müssen wir auch feststellen, sucht man diesen Begriff in der Homepage des Landratsamtes und in unseren Sitzungsunterlagen, dann wird man nicht oft fündig, wenn man unter Nachhaltigkeit ein Handlungsprinzip zur Ressourcennutzung versteht. Hier müssen wir noch deutlich nachbessern. Dazu aber ist aus unserer Sicht ein deutlicher Systemwechsel unabdingbar.
Daher stellen wir Anträge zu diesem Thema:
Die Fraktion DIE LINKE unterstützt die bisherigen Anträge im Hochbau und im Straßenbau Recyclingbaustoffe zu verwenden. Diese Anträge sind für unsere Fraktion Anlass weitergehende Überlegungen anzustellen.
Wir beantragen, dass unser Abfallwirtschaftsbetrieb eine kommunale Ressourcenstrategie
entwickeln soll mit dem Ziel den Einsatz von Sekundärmaterialien (z.B. RC-Beton) und
nachwachsenden Rohstoffen zu verstärken, um damit den Einsatz seltener, kritischer und
ressourcenintensiver Primärrohstoffe zu reduzieren.
Schon lange warnen Forscher vor dem Schwund endlicher Rohstoffe wie beispielsweise Sand und Kies, die essentiell sind für die Baubranche oder die Glas- und Halbleiterindustrie. Ein solcher ressourcenleichter Landkreis wäre darüber hinaus ein IBA-würdiges Modell!

Der diesjährige Sommer hat uns allen deutlich vor Augen geführt, dass ein „Weiter so“ mit unserem Lebensstil, der von Soziologen und Klimaforschern auch als „imperiale Lebensweise“ bezeichnet wird, nicht angesagt ist. Wir sind der Meinung, dass der Landkreis Esslingen mit seinen herausragenden Ressourcen an Know-how, Kreativität und Ingenieurskunst durchaus ein Vorreiter als „Klimaschutz-Landkreis“ sein sollte. Für die „integrierte Klimaschutzkonzeption“ sind ja bereits Mittel im Haushaltsplan eingestellt. Es kann aber nicht nur um Diesel-Fahrverboten und Energieeinsparung gehen, sondern beispielsweise auch um klimaneutrale Industrie- und Verwertungsprozesse, um Feinstaubreduktion auf Großbaustellen oder um Anpassungsmaßnahmen in der Wasserwirtschaft.Dieses Programm ist auf dem Weg, die Bewilligung ist eingetroffen und wir werden es kritisch und konstruktiv begleiten

Die Zeiten des fossilen Verbrennungsmotors sind gezählt. Es gibt Studien, die bereits für 2026 das Aus für diese Antriebstechnik voraussagen. Möge dieser Zeitpunkt sehr spekulativ erscheinen, selbst aber, wenn wir zehn Jahre hinzugeben, sind die Auswirkungen dieser Prognose für unseren sehr vom Automobilbau abhängigen Landkreis dramatisch. Hinzu kommt, dass immer mehr Stimmen laut werden, die die batteriegetriebene Mobilität sogar nur als Übergangstechnologie bezeichnen. Als Alternative kann die wasserstoffgetriebene Mobilität betrachtet werden.

Wie im Prognos Zukunftsatlas am 5.12.2017 präsentiert soll unter der Regie des Landkreises das „Forum für Antriebstechnologien“ initiiert werden. Wir schlagen vor: Ein Schwerpunkt soll mit dem Thema Wasserstoffmobilität gesetzt werden. Lokale Wirtschaft, Forschung, die Politik, Gewerkschaften und Zivilgesellschaft sollen zu einem Austausch über aktuelle und geplante Aktivitäten sowie zur Erarbeitung einer Zukunftsvision zusammengeführt werden.

„Das Internet ist längst eine Lebensader der Informations- und Wissensgesellschaft; eine
Lebensader, die in vielerlei Hinsicht die Gesellschaft als solche durchzieht. Leistungsfähige Breitbandnetze sind für die Wirtschaft und Gesellschaft mittlerweile so bedeutend wie Straßen, Schienen, Flüsse, Kanäle, wie Gas-, Wasser und Stromverteilnetze geworden.“
Das, meine Damen und Herren ist ein Zitat aus dem Jahre 2009, angekündigt wurde viel, geschehen ist allerdings bis heute wenig. Das Zitat stammt vom ehemaligen CSU-Bundeswirtschaftsminister Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg. Und wir stimmen dem nicht nur zu, sondern wir wollen dies auch schnell umgesetzt sehen! Allerdings wollen wir, da die Deutsche Telekom als privilegierter und strategischer Partner in die regionalen Dienstleistungs – GmbH und die Gründung eines Kreiszweckverbandes eingebunden ist, die Telekom so einbinden, dass sie ihre Stellung nicht missbrauchen kann.

Notwendig bleibt für uns ein Konzept, das den offenen Zugang (open access) zur entstehenden Breitbandstruktur der Telekom sicher stellt. Dies beantragen wir, ebenso wie eine Übersicht über die bisherigen Aktivitäten der Kommunen und der kommunalen Stadtwerke zu erstellen, damit die Einbindung von den Aktivitäten der Stadtwerke
in den kreisweiten Breitbandausbau der Telekom gewährleistet wird. (Bereits jetzt zeigt das negative Beispiel Sindelfingen, dass dem nicht selbstverständlich so ist.)

Neue Technologien fordern eine Bereitstellung von Flächen für Industrie und Gewerbe. Dies stellt einen verdichteten Landkreis wie den unseren vor große Probleme, sollen doch Böden, die meist landwirtschaftlich genutzt werden, nicht versiegelt werden. Daher ist es notwendig vorhandene Gewerbeflächen zu erfassen und zu aktivieren. Auch dazu stellen wir einen Antrag.

Zum Schluss möchten wir allen, die an der Erstellung des Haushaltsplanes beteiligt waren und die, die die Anträge der Fraktionen bearbeiten werden, herzlich danken und in erster Linie gilt unser Dank Ihnen, Frau Dostal und Ihrem gesamten Team!